

Raumdeckung vs. Mannorientierung – Was ist besser?
SPIELANLAGE | Die Kolumne von Coach David Goigitzer
Viele Jahre hinweg war die Manndeckung das am meisten angewandte Mittel in der Defensive. Dies hat sich jedoch in den letzten 20 Jahren geändert… oder?
Nicht ganz: Zwar hat sich der Fußball durchaus zum ballorientiertenVerschieben so sehr hin entwickelt, dass es nun jeder Fußballbegeisterte kennt. Ist der Ball auf der anderen Seite, rückt der Spieler rüber und verschiebt. Wenn man jedoch genauer hinsieht, dann decken die meisten Spieler immer noch einen Mann. Also wirklich “der Raum” wird hier nicht gedeckt, sondern nur der Gegner/Mann im eigenen “Raum”. Nun wird der Gegener also nicht mehr von einer Seite zur anderen verfolgt, sondern er wird beim Verlassen der eigenen Zuständigkeitszone abgegeben. Dies wird heutzutage “Mannorientierung” oder “Mann im Raum- Deckung” genannt. Vorausdenkende Leser werden bei diesem Satz schon den ersten Konflikt erkannt haben, jedoch möchte ich die beiden Deckungsarten noch etwas genauer vorstellen.
Mannorientierung
Wie vorhin bereits beschrieben bedeutet Mannorientierung, dass jeder Spieler in der Defensive eine Zuständigkeitszone besitzt. Befindet sich in diesem Raum ein Gegner, so soll dieser gedeckt werden, um den Ballführenden daran zu hindern, einen gedeckten Mitspieler anzuspielen. Der Zugriff soll so beim Pressing erhöht und Ballgewinne durch Zweikämpfe erlangt werden. Durch das enge Decken des Gegners, aber gleichzeitig das ballorientierte Verschieben, will man Kompaktheit und ballnahe Überzahl erzeugen, zudem mit Decken der möglichen Passoptionen Zugriff generieren.
Hier liegt jedoch schon das Problem. Das Streben nach Kompaktheit hat bei Mannorientierungen seine klaren Grenzen. Denn: durch das Verfolgen des Gegners ist man gänzlich reaktiv eingestellt und kann sich aus Positionen ziehen lassen. Hierbei reichen schon nur wenige Meter, um eine Kettenreaktion der Unkompaktheit auszulösen. So hat man zwar scheinbar Zugriff auf den Gegner, jedoch können Passwege durch kluge Freilaufbewegungen aufgemacht und bespielt werden. Effektive Folgeaktionen auf solche Pässe sind dann, sofern man eng gedeckt wird, Ablagen auf nachrückende Mitspieler. Diese nachrückenden Mitspieler werden zwar vermutlich auch verfolgt, dass diese den Ball bekommen ist jedoch meist schwierig zu verhindern. Durch die reaktive Deckungsart muss man immer auf die Entscheidung des Gegners “warten” und muss darauf reagieren (also in diesem Fall auf den nachrückenden Lauf). Selbst wenn man selbst physisch schneller ist: Der Gegner weiß schon vorher was er macht und die Zeit bis zur Reaktion des Verteidigers ist oft genug um sich frei zu laufen.
Real verteidigt hier mannorientiert gegen den Dortmunder Angriff. Durch das Orientieren am Gegenspieler entstehen freie Räume, die genutzt werden können.
Mannorientierungen können also durch kluge Freilaufbewegungen ausgespielt werden. Ein anderes Mittel gegen Mannorientierungen sind Dribblings: Durch das Mann gegen Mann Spiel muss ein Dribblier immer “nur” einen Spieler auf einmal ausspielen. Wenn er einen Spieler ausgedribbelt hat, dann hat er entweder freien Raum oder wird attackiert. Passiert zweiteres, bedeutet das automatisch, dann ein Mitspieler frei wurde, da der Verteidiger ja seinen zu deckenden Gegenspieler verlassen musste, um den Dribbler zu attackieren.
Jedoch muss man keinen Spieler ausdribbeln, um Dribblings als Mittel gegen Mannorientierungen zu nutzen. “Andribbeln” alleine kann auch oft schon reichen. Also auf einen Gegner oder einen Raum hin laufen und den Gegner aus der Position ziehen und zum Attackieren locken. So entstehen einfach bespielbare Räume. Mats Hummels ist einer der berühmtesten dribbelnden Verteidiger, die diese strukturellen Probleme oft ausnutzen. Beckenbauer zu seiner Zeit hatte diesbezüglich aufgrund der Manndeckung NOCH leichteres Spiel.
Raumdeckung
Die Raumdeckung ist die anspruchsvollerere, da schwieriger zu verstehen und zu trainieren, als die Mannorientierung. In der Raumdeckung verschiebt man ebenfalls ballorientiert, jedoch sucht man die eigene Position meist im Verhältnis zu Ball und Mitspieler, und nicht zum Gegenspieler. Dieser ist zwar auch ein Referenzpunkt, jedoch ein nächstrangiger. In der Raumdeckung versucht man durch Raumverknappung ballnah Überzahl zu schaffen und so Druck auf den Ballführenden aufzubauen. Primär sollen Passwege nach vorne oder in die Mitte versperrt werden, um dann den Gegner anzulaufen, während man die Passwege weiter im Deckungsschatten behält und somit virtuell Überzahl schafft.
Die Raumdeckung ist eine aktive Defensivspielweise und erlaubt es den Gegner selbst ohne Ball zu kontrollieren. Sie ist jedoch auch, wie oben bereits erwähnt, vor allem kognitiv anspruchsvoller. Der Spieler muss selbst entscheiden wo er sich positioniert und muss mehr registrieren, was um ihn herum passiert. Ständig müssen Positionen adaptiert werden um Passwege zuzustellen und Gegner im Deckungsschatten zu behalten. Aufgrund der Zeit im Training und des Wissens darüber, die die Raumdeckung vom Trainer abverlangt, wird sie oft selbst im Profifußball nicht effektiv oder gar nicht verwendet. Ein sehr gutes Beispiel der Raumdeckung gibt esum folgenden Video:
Analyse des Defensivverhaltens von Villareal von Tristan T auf Vimeo.
Fazit
Ja, was ist denn nun “besser”? Über den Kamm geschoren ist die Raumdeckung definitiv die bessere Art zu verteidigen. Sie ermöglicht es der Mannschaft ohne Ball aktiv das Spielgeschehen zu bestimmen und muss nicht dauernd auf den Gegner reagieren. Jedoch kann die Implementierung dieser Deckungsart etwas dauern, da Spieler meist auf Mannorientierung geschult werden. Zudem gilt es hier die richtigen Trainingsübungen in Spielform zu kennen, um die Defensive stetig zu verbessern. Die Mannorientierung hat ihren Vorteil in ihrer Simplizität und auch, wenn man dem Gegner physisch überlegen ist. Mannorientierungen können vor allem situativ immer nützlich sein, hierbei ist jedoch ein hohes Maß an Spielintelligenz von den Spielern verlangt, um zu wissen wann der Raum und wann der Mann gedeckt werden soll. Im Endeffekt muss jeder Trainer selbst wissen, welche Deckungsart er am besten für seine Spieler hält, jedoch stets eine offene Einstellung zu neuen Ideen haben.
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