Was ist “in Form sein” ?

SPIELANLAGE | Die Kolumne von Coach David Goigitzer

„Spieler XY ist nicht in Form“ diesen Satz hört man oft, wenn es um schwächere Leistungen eines Spielers geht. Meist ist man es gewohnt, dass dieser gute Leistungen abliefert. So wie David Alaba, der Star unserer Nationalmannschaft, der diese Europameisterschaft jedoch nicht überzeugen konnte.

Es geht aber auch umgekehrt. 5 Spiele in 5 Tore, ein Stürmer dessen Statistik so aussieht scheint „in Form“ zu sein. Diese Begrifflichkeit ist jedoch eigentlich sehr vage (so wie viele Ausdrücke im Fußballjargon), also was ist Form wirklich?

 

Einbindung

Jeder Spieler wird ins System seiner Mannschaft „eingebunden“. Das bedeutet er kommt in einer bestimmten Formation auf eine bestimmte Position. Dabei hat er gewisse Mitspieler. Zudem spielt die Mannschaft auf eine bestimmte Art und Weise. Um das alles zu vereinfachen sagen wir Spieler ABC ist gelernter linker Flügelspieler und spielt beim FC Bayern, die sehr flügelfokussiert sind.

Also: Spielen die Bayern an einem Tag zum Beispiel 4-4-2, spielen viele Bälle auf die Seite und in die Tiefe (wo ABC sie gerne hinbekommt, weil er schnell ist) dann haben wir schon mal eine gute Ausgangslage. In der Mitte hat er Spieler die den Strafraum dynamisch besetzen und einen Mitspieler die im Zentrum Gegner binden und sich gleichzeitig zum Beispiel für Doppelpässe anbieten. Nun kann ABC, wie er es schon immer gemacht hat, regelmäßig zur Grundlinie gehen und flanken, hat dort Abnehmer, kann Doppelpässe spielen/dribbeln, seine Mitspieler schaffen ihm Raum für seine Aktionen, die Anschlussaktionen bewirken. ABC ist also gut eingebunden.

Spielt ABC gegen eine Mannschaft die im 5-3-2 spielt, die Mitte gut versperrt und an den Flügeln defensivstarke Verteidiger hat, zudem tief steht, hat ABC Probleme. Zudem steht die gegnerische Mannschaft tief, also gibt es nicht viel Raum in die er Pässe in den Lauf gespielt bekommen kann. Im nächsten Spiel spielt der Gegner ähnlich, der Bayern- Trainer stellt zudem auf 4-3-3 um. ABC hat jetzt nur mehr einen Flankenabnehmer in der Mitte, die Wahrscheinlichkeit erfolgreicher Flankenaktionen sinkt. Er hat aufgrund des Gegners noch dazu die selben Probleme wie im vorigen Spiel. Seine Mitspieler lassen den Ball nun vermehrt durch das Zentrum zirkulieren, da sie dort Überzahl haben, außerdem wird der Aufbau vermehrt über die Halbräume gespielt, man schießt auch öfter aus der Distanz. Spieler ABC ist nun offiziell schlecht eingebunden. Wenn einige dieser ganzen Faktoren öfter hintereinander vorkommen, dann spielt ABC nicht gut und ist „außer Form“.

 

Fitness

Wie fit ist ABC? ABC kommt vielleicht von einer Verletzung zurück, weswegen er etwas Pause machen musste. Oder ABC war letzte Woche beim Nationalteam, muss nun innerhalb von 8 Tagen 3 Spiele spielen. Oder der Trainer von ABC periodisiert das Training schlecht, beziehungsweise nicht spezifisch auf ABC hin, denn ABC ist sehr schnell, seine Muskulatur wird jedoch deswegen auch schnell müde und er müsste eigentlich mehr Pausen als seine Mitspieler bekommen. Vor allem gegen Ende der Saison gibt es viele Faktoren die hier bezüglich Fitness mitspielen, von denen die Öffentlichkeit gar nichts wissen KANN oder darf.

 

Psyche

Jaja das Hirn spielt überall mit, ob wir wollen oder nicht (wäre für manche sogar besser). Interne sowie externe Faktoren können die Psyche eines Menschen enorm beeinflussen, er muss sich nicht mal darin im Bewusstsein sein. Diese können dann natürlich zu einer schlechteren Leistung aufgrund fehlender Konzentration, gesunkenes (oder zu hohes) Selbstvertrauen sein. Teilweise kann man mit gut gecoachtem Training die Psyche bezüglich Selbstvertrauen stabilisieren. Manchmal können sich zwei Personen (Trainer/Spieler/Mitspieler) einfach „nicht riechen“, was natürlich auch zu einer verschlechterten Leistung führen kann. Auch wieder alles Dinge, von denen wir nur sehr wenig wissen können

 

Fazit

Die Fußballsprache ist selten sehr spezifisch, und das ist ein Problem. Meistens redet man nach dem Gefühl und nicht nach den objektiv beobachtbaren Sachen. Wenn jemand „in Form“ ist, dann redet eigentlich jeder von etwas anderem. Wenn Spiele und Spieler beurteilt werden, sollte man nur über das reden, was deutlich zu sehen und zu beobachten ist, man sollte in der Sprache so wenig Interpretationsspielraum wie möglich haben. „ABC hat schon lang kein Tor mehr geschossen, er ist nicht in Form.“ NEIN IST ER NICHT!! Er hat einfach lang kein Tor mehr geschossen, Punkt. Das ist die erste Aussage, auf die baut man auf. Dann sieht man sich seine Mitspieler, seine kreierten Chancen, das System seiner Mannschaft, seinen Gegner etc an. Wenn man dann immer noch nichts findet, dann sind es wahrscheinlich psychologische Faktoren, dann kann man von „in Form“ reden.

 

 

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